Gesetzesbegründung zu § 5 HinSchG

Zu § 5 (Vorrang von Sicherheitsinteressen sowie Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten)

Zu Absatz 1

Absatz 1 setzt Artikel 3 Absatz 2 der HinSch-RL um.

Zu Nummer 1

Aus Gründen des Staatswohls ist die Weitergabe schutzbedürftiger Informationen unabhängig von ihrem Geheimhaltungsgrad durch Meldung oder Offenlegung nicht vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst. Zum Schutz der nationalen Sicherheit und wesentlicher Sicherheitsinteressen ist es gerechtfertigt, entsprechende Informationen unmittelbarer und mittelbarer Art vor einer Weitergabe durch Meldung oder Offenlegung zu schützen. Dazu gehören auch Informationen aus nichtmilitärischen Bereichen der Bundeswehr, die Rückschlüsse auf schutzwürdige sicherheitsrelevante Sachverhalte zulassen. Militärische Angelegenheiten der Bundeswehr erfassen auch Informationen zu Auslandseinsätzen und zur Bündnisverteidigung sowie Informationen, die von und mit verbündeten Streitkräften im Rahmen der tiefen Integration dieser Streitkräfte in die Bundeswehr geteilt werden. Auch Interessen kollektiver Sicherheitssysteme können nationale Sicherheitsinteressen berühren.

Der Begriff der nationalen Sicherheit erfasst zudem Informationen, deren Weitergabe den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder die verfassungsmäßige Ordnung in Ansehung der zentralen Grundprinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaats (vergleiche § 92 StGB, § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, BVerfSchG) berühren können.

Zu Nummer 2

Nummer 2 konkretisiert die allgemeine Regelung in Nummer 1 durch eine an § 3 Nummer 8 IFG angelehnte Bereichsausnahme, die unabhängig vom aktuellen Datenbesitz ist, also gleichermaßen für Informationen bei diesen Behörden gilt wie auch für Informationen bei anderen Stellen (etwa der jeweiligen Fachaufsicht), wenn diese Informationen von den in Nummer 2 benannten Behörden stammen. Die Bereichsausnahme schützt generell einen Aufgabenbereich, ohne dass dazu – wie nach Absatz 2 – noch eine nähere Klassifizierung einzelner Informationen nötig wird. Diese Typisierung ist sachgerecht, da die von der Bereichsausnahme erfassten Behörden gerade die Aufgabe haben, die nationale Sicherheit zu gewährleisten. Der Schutz der nationalen Sicherheit und wesentlicher Sicherheitsinteressen erfasst Informationen, deren Weitergabe den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder, die Funktionsfähigkeit ihrer Einrichtungen oder zentrale Grundprinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaats berühren (vergleiche § 92 StGB, § 4 Absatz 1 BVerfSchG). Speziell im Bereich der Nachrichtendienste ist der Hinweisgeberschutz aufgabenadäquat bereichsspezifisch insbesondere in § 8 des Kontrollgremiumgesetzes (PKGrG) geregelt und die betreffende Sachklärung auch im Rahmen parlamentarischer Kontrolle speziell mit besonderen Ressourcen organisiert (§ 5a PKGrG). Ein besonderes, zugleich hinweisgebende Personen schützendes Kontrollverfahren ist auf dem Ge- biet der Datenschutzvorschriften im Übrigen allgemein mit dem oder der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit eingerichtet (vergleiche insbesondere die §§ 8 ff. BDSG, § 28 BVerfSchG).

Von der Ausnahme sind zum einen Informationen der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder erfasst. Darüber hinaus sind auch Informationen von Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen der Länder erfasst, soweit sie Aufgaben im Sinne dem § 10 Nummer 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes entsprechender Rechtsvorschriften der Länder wahrnehmen. Eine entsprechende Regelung findet sich beispielsweise in § 10 Nummer 4 des Gesetzes über die Sicherheitsüberprüfung aus Gründen des Geheim- und Sabotageschutzes und den Schutz von Verschlusssachen des Landes Baden-Württemberg vom 12. Februar 1996 und in § 10 Nummer 3 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Lande Mecklenburg-Vorpommern vom 22. Januar 1998.

Zu Nummer 3

Meldungen oder Offenlegungen von Verstößen im Zusammenhang mit der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die unter Artikel 346 AEUV fallende Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte beinhalten, fallen nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

Zu Absatz 2

Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a, b und c der HinSch- RL.

Zu Nummer 1

Eine Meldung oder Offenlegung von Informationen, die als Verschlusssachen eingestuft sind, fällt nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Die entsprechenden Geheimhaltungsvorschriften gehen dem Recht der hinweisgebenden Person auf eine Meldung vor. Die Formulierung zum Schutz von Verschlusssachen greift auf § 3 Nummer 4 IFG zurück.

Für den Bund ist maßgeblich die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz, die die Einstufung von Verschlusssachen regelt. Die auf Grundlage des § 35 Absatz 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes erlassene Verschlusssachenanweisung regelt die Vorkehrungen zum Schutz von Verschlusssachen und etwa die Anforderungen an die Einstufung einer Verschlusssache. Die Weitergabe einer eingestuften Information an eine Meldestelle sowie deren Offenlegung sind damit ausgeschlossen. Dies gilt grundsätzlich auch für den schwächsten Geheimhaltungsgrad VS-NUR FÜR DEN DIENSTGE- BRAUCH. Die tatsächliche Einstufung als Verschlusssache ist maßgebend. Das alleinige Vorliegen der objektiven Voraussetzungen für die Einstufung reicht nicht aus, um den Anwendungsbereich dieses Gesetzes auszuschließen.

Die Vorgaben gelten ebenso für die entsprechenden Regelungen beispielsweise der Länder, der Europäischen Union sowie auch der North Atlantic Treaty Organization (Nato) wenn deutsche Dienststellen zu deren Schutz verpflichtet sind, vergleiche § 35 der Verschlusssachenanweisung des Bundes.

Eine Ausnahme sieht die Vorschrift für als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestufte Informationen vor, wenn es sich um die Meldung von strafbewehrten Verstößen an eine interne Meldestelle handelt und sich die betreffende Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht zudem auf eine als VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestufte Verschlusssache des Bundes bezieht. Diese Ausnahme gilt nicht, wenn ein Dritter gemäß § 14 Absatz 1 mit den Aufgaben der internen Meldestelle betraut ist. Die Regelungen des Absatzes 1 bleiben hierdurch unberührt. Für Meldungen nach Nummer 1, 2. Halbsatz, die VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH eingestufte Informationen beinhalten, entfällt das Wahlrecht nach § 7 Absatz 1 sowie die Möglichkeit der Offenlegung nach § 32. Die interne Meldestelle führt das Verfahren nach § 17 und ergreift die Folgemaßnahmen nach § 18, wobei eine Abgabe an eine zuständige Behörde, beispielsweise die zuständige Strafverfolgungsbehörde, sich nach den allgemeinen Gesetzen richtet.

Zu Nummer 2

Eine Meldung oder Offenlegung von Informationen, die dem aus der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richterin und des Richters nach Artikel 97 Absatz 1 GG folgenden richterlichen Beratungsgeheimnis unterliegen, fällt nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Das richterliche Beratungsgeheimnis umfasst auch truppendienst- richterliche Beratungen und die kollegiale Entscheidungsfindung der richterlich unabhängigen Mitglieder der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder.

Zu Nummer 3

Außerdem wird die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwälten, Patentanwälten, Strafverteidigern, Kammerrechtsbeiständen und Notaren und ihren Mandantinnen und Mandanten gewahrt. Vertreterinnen und Vertreter dieser Berufsgruppen dürfen keine Informationen preisgeben, die der jeweiligen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Sie unterliegen auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes der beruflichen Verschwiegenheit und können somit auch für die Meldung oder Offenlegung von Rechtsverstößen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, sofern sie ihre Geheimhaltungspflichten dadurch verletzen. Der Begriff der Rechtsanwälte umfasst auch Syndikusrechtsanwälte (§§ 46a bis 46c der Bundesrechtsanwaltsordnung – BRAO) und ausländische Rechtsanwälte (insbesondere solche nach den §§ 206, 207 BRAO und dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland).

Kammerrechtsbeistände unterliegen nach § 209 Absatz 1 Satz 3 BRAO in Verbindung mit § 43a Absatz 2 BRAO derselben Verschwiegenheitspflicht wie Rechtsanwälte und sind ebenso Mitglied der Rechtsanwaltskammer. Sie sind im Wesentlichen wie ein Anwalt tätig und daher hier gleich zu behandeln.

Neben Rechtsanwälten und Kammerrechtsbeiständen sind vor allem unter Berücksichtigung der englischen Sprachfassung der HinSch-RL Patentanwälte, Strafverteidiger und Notare mit einzubeziehen. In der englischen Sprachfassung heißt es in den Erwägungs- gründen 26 und 27 und Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe b der HinSch-RL „communications between lawyers and their clients“ und „legal professional privilege“. Der Begriff „lawyer“ beschreibt allgemein das Recht praktizierende Berufsträgerinnen und -träger. Mit dem Begriff des „legal professional privilege“ wird die Vertraulichkeitspflicht von Personen, die einen juristischen Beruf ausüben, umschrieben. Mit diesem Begriff vergleichbar sind die Be- griffe in der italienischen („segreto professionale forense“), der maltesischen („privileġġ professjonali legal“), der polnischen („prawnicza tajemnica zawodowa“) und der finnischen Sprachfassung („oikeudellinen ammattisalassapitovelvollisuus“).

Vom Begriff des Patentanwalts umfasst sind auch ausländische Patentanwälte, insbesondere solche nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Patentanwälte in Deutschland.

Der Begriff des Verteidigers in einem gesetzlich geordneten Verfahren umfasst entspre- chend § 203 Absatz 1 Nummer 3 StGB neben Verteidigern im Strafverfahren (§§ 138, 139, 142 StPO) auch Verteidiger im Bußgeld-, Disziplinar-, Berufs- und Ehrengerichtsverfahren.

Vor diesem Hintergrund sind die genannten Geheimnisträger von der Bereichsausnahme des Artikels 3 Absatz 3 Buchstabe b der HinSch-RL umfasst und hier mit aufzunehmen. Bei den vorgenannten Berufsgruppen bleiben also insbesondere die Strafandrohungen des § 203 Absatz 1 und 4 StGB bestehen.

Zu Nummer 4

Nach Nummer 4 wird die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Erbringern von Gesundheitsleistungen und Patientinnen beziehungsweise Patienten einschließlich des Inhalts von Patientenakten gewahrt.

Für die Berufsgruppen, die unter die ärztliche Verschwiegenheitspflicht fallen, führt Erwägungsgrund 26 der HinSch-RL aus, dass nicht nur Ärzte, sondern auch beispielsweise Therapeuten hierunter fallen. Erfasst werden alle Berufsgruppen, die Gesundheitsleistungen erbringen. Hierzu zählen gleichlaufend mit § 203 Absatz 1 Nummer 1 StGB Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Angehörige anderer Heilberufe, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Hierzu zählen beispielsweise Krankenschwestern oder -pfleger, Hebammen, Physiotherapeuten, Masseure und medizinische Bademeister, nicht aber Heilpraktiker oder Zahnlabore und deren Inhaber. Soweit Meldungen etwa über Missstände in der Pflege nicht Teil der Patientenakten oder der Kommunikation zwischen dem Erbringer von Gesundheitsleistungen und Patienten sind, bleibt der Anwendungsbereich dieses Gesetzes eröffnet.

Auch bei den hier genannten Berufsgruppen bleiben die Strafandrohungen des § 203 Absatz 1 und 4 StGB bestehen.

Soweit praktizierende Tierärzte von § 2 Nummer 3 Buchstabe k umfasste Verstöße gegen Rechtsvorschriften zum Schutz von gewerblich gehaltenen landwirtschaftlichen Nutztieren wahrnehmen, sind sie bei einer Meldung oder Offenlegung nach diesem Gesetz zu schützen. Die sich aus § 203 StGB ergebende Schweigepflicht dient vornehmlich dem Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs einer Person, die sich bestimmten Berufsgruppen anvertraut. Im Falle eines Verstoßes gegen § 2 Nummer 3 Buchstabe k über- wiegt jedoch, soweit es um den Schutz von gewerblich gehaltenen landwirtschaftlichen Nutztieren geht, das Interesse an der Aufklärung, Verhütung und Verfolgung des Verstoßes. Tierärzte können hier einen wesentlichen Beitrag zur Aufdeckung von Verstößen gegen Vorschriften zur Tiergesundheit und zum Tierschutz leisten.

Zu Nummer 5

Die Geheimhaltungspflichten für Berufsträger nach den Nummern 3 und 4 gelten für die bei Rechtsanwälten, Patentanwälten, Strafverteidigern, Kammerrechtsbeiständen, Notaren und den Erbringern von Gesundheitsleistungen berufsmäßig tätigen Gehilfen und zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen. Hiervon umfasst werden auch von Rechtsanwälten beauftragte Dienstleister (vergleiche § 43e BRAO) und Gesellschafter von Rechtsanwaltsgesellschaften (vergleiche § 59m BRAO).

Der Berufsgeheimnisträger entscheidet über die Wahrung der Verschwiegenheit, es sei denn, dass diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann.