Gesetzesbegründung zu § 1 HinSchG

Zu § 1 (Zielsetzung und persönlicher Anwendungsbereich)

Zu Absatz 1

Dieses Gesetz dient der Umsetzung der HinSch-RL. Bislang existiert in der Bundesrepublik Deutschland kein umfassendes, einheitliches Hinweisgeberschutzsystem. Hinweisgebende Personen (Whistleblower) können allerdings wertvolle Beiträge dazu leisten, das Fehlverhalten natürlicher oder juristischer Personen aufzudecken und die negativen Folgen dieses Fehlverhaltens einzudämmen beziehungsweise zu korrigieren. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Fällen gekommen, in denen hinweisgebende Personen Nachteile zu erleiden hatten. In anderen Fällen ist davon auszugehen, dass Personen mit Insiderwissen von einer Meldung abgesehen haben, weil sie Repressalien fürchteten. Ziel dieses Gesetzes ist es, den Schutz hinweisgebender Personen und sonstiger von einer Meldung betroffener Personen zu stärken und sicherzustellen, dass ihnen im Rahmen der Vorgaben dieses Gesetzes keine Benachteiligungen drohen.

Die Regelung definiert diejenigen Personen, die gemäß § 1 Absatz 1 HinSchG geschützt werden. Hierbei handelt es sich um natürliche Personen, die entweder über interne oder externe Meldestellen Informationen über Verstöße melden oder diese nach den Vorausset- zungen dieses Gesetzes offenlegen.

Der persönliche Anwendungsbereich der HinSch-RL ist in Artikel 4 definiert. Er ist sehr weit gesteckt und umfasst alle Personen, die potentiell Kenntnis von einem Verstoß im beruflichen Umfeld erlangt haben können. Da der europarechtliche Arbeitnehmerbegriff sehr viel weiter gefasst ist als derjenige des nationalen Rechts, kann den Anforderungen an die Umsetzung der HinSch-RL nur durch eine weite Generalklausel genügt werden. Auch sollen Personengruppen wie beispielsweise Beamtinnen und Beamte, Selbständige, Praktikantinnen und Praktikanten, Freiwillige und Organmitglieder von Gesellschaften wie zum Beispiel Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft vom persönlichen Anwendungsbereich der Regelung erfasst werden. Hierbei wird allerdings die nach dem deutschen Gesellschafts- recht bestehende Kompetenzordnung durch die Einbeziehung von Anteilseignern und Aufsichtsratsmitgliedern in den Hinweisgeberschutz nicht ausgehebelt. Die Aufgabe eines Aufsichtsrats ist es, den Vorstand einer Aktiengesellschaft bzw. die Geschäftsführung einer GmbH zu überwachen. Dazu gehört die Pflicht jedes Mitglieds, auf die Beseitigung etwaiger Rechtsverstöße im und durch das Unternehmen hinzuwirken. Die Geschäftsleitung muss die Gelegenheit erhalten, auf diese Weise aufgedeckte Missstände zu beseitigen. Aufsichtsratsmitglieder unterstehen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung gerade nicht der Geschäftsleitung, auch wenn diese das Hinweisgeberschutzsystem einrichtet und verantwortet. Die aus der Organstellung erwachsende Überwachungspflicht wird durch das Hinweisgeberschutzsystem nicht verdrängt.

Der Anwendungsbereich erstreckt sich auch auf hinweisgebende Personen, die Verstöße melden oder offenlegen, wenn deren Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde. Gleiches gilt für hinweisgebende Personen, die sich in einem Bewerbungsverfahren befinden oder deren Arbeitsverhältnis noch nicht begonnen hat und die während des Einstellungsverfahrens oder anderer vorvertraglicher Verhandlungen Informationen über Verstöße erlangt haben.

Die Begrifflichkeit des „Zusammenhangs mit der beruflichen Tätigkeit“ ist weit zu verstehen und jeweils im Lichte aller relevanten Umstände zu interpretieren. Sie reduziert sich nicht bloß auf das formale Arbeits- oder Dienstverhältnis, sondern umfasst zum Beispiel auch Tätigkeiten von Arbeitnehmervertretungen. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit ist anzunehmen, wenn laufende oder auch frühere berufliche Tätigkeiten betroffen sind und sich eine hinweisgebende Person Repressalien ausgesetzt sehen könnte, würde sie erlangte Informationen über Verstöße melden.

Damit soll ein möglichst breiter Kreis von Personen geschützt werden, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, unabhängig von der Art dieser Tätigkeit sowie davon, ob diese vergütet wird oder nicht, Zugang zu Informationen über Verstöße hat.

Nicht geschützt wird die Meldung oder Offenlegung von Informationen über privates Fehl- verhalten, von dem die hinweisgebende Person im beruflichen Zusammenhang erfährt, das aber keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit hat. Dies gilt insbesondere auch für die außer- dienstliche Wohlverhaltenspflicht von Beamtinnen und Beamten, die nicht dazu führt, dass die Meldung privaten Fehlverhaltens von Beamtinnen und Beamten in den Anwendungsbereich einbezogen wird.

Zu Absatz 2

Das Gesetz will aber nicht nur diejenigen Personen schützen, die Meldungen erstatten oder Verstöße offenlegen. Geschützt werden darüber hinaus auch Personen, die von der Meldung oder Offenlegung betroffen sind, etwa indem sie dort genannt werden und so potentielle Zeugen sein können. Nicht weniger wichtig ist, dass auch die Personen geschützt

werden, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, das heißt denen in der Meldung oder Offenlegung ein Fehlverhalten vorgeworfen wird. Auch in Bezug auf diese Personen gilt es, die Vertraulichkeit der Identität zu schützen und die geltenden Verfahrens- rechte nicht zu beschränken. Gleichermaßen sollen die Rechte und Geheimhaltungsinteressen der von der Meldung oder Offenlegungen betroffenen juristischen Personen (insbesondere Unternehmen), Personenvereinigungen und sonstigen Organisationsformen geschützt werden. Neben der eigentlichen Zielrichtung der HinSch-RL, den Schutz der hinweisgebenden Personen zu verbessern, ist also auch der Schutz dieser weiteren von der Meldung oder Offenlegung betroffenen Personen zu gewährleisten. Entsprechende Vorgaben finden sich auch in der HinSch-RL (vergleiche Artikel 22 Absatz 2, Artikel 23 Absatz 2).

Zu Absatz 3

Dem Gesetz nicht unterfallen sollen Meldungen oder Offenlegungen durch den in § 1 BeamtStG genannten Personenkreis, also durch Beamtinnen und Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ausgenommen werden auch Richterinnen und Richter im Landesdienst, für die nach § 71 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG), das BeamtStG entsprechend gilt, soweit im DRiG nichts anderes bestimmt ist. Grund hierfür ist, dass das HinSchG Regelungen trifft, die für diese Personen- gruppen eine Anpassung des BeamtStG erforderlich machen.

Für eine vollständige Umsetzung der HinSch-RL ist allerdings erforderlich, dass auch den in Absatz 3 genannten Personengruppen der von der HinSch-RL vorgesehene Schutz gewährt wird. Die hierfür notwendige Ausnahme von der nach § 37 BeamtStG geltenden Verschwiegenheitspflicht soll in einem gesonderten Gesetz erfolgen, das gemäß Artikel 74 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 27 GG der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Im gleichen Zug könnte dann auch der persönliche Anwendungsbereich des HinSchG durch eine Streichung von Absatz 3 entsprechend erweitert werden.