Gesetzesbegründung zu § 16 HinSchG

Zu § 16 (Meldekanäle für interne Meldestellen)

Die Vorgaben zur Einrichtung und Ausgestaltung interner Meldekanäle sind bewusst allgemein gehalten. Über die in diesem Gesetz genannten Vorgaben hinaus sollen die betroffenen juristischen Personen frei darin sein, wie sie Meldestellen betreiben. So ist es möglich, die Umstände des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen in Bezug auf die Größe der juristischen Person, die Anzahl der zu erwartenden Meldungen, die Sensibilität der möglicherweise betroffenen Materien sowie auf die Frage, ob über die Anforderungen dieses Gesetzes hinaus zusätzlich spezialgesetzliche Vorgaben an Meldestellen zu berücksichtigen sind (wie beispielsweise in § 23 Absatz 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes, § 25a Absatz 1 Satz 6 Nummer 3 KWG, § 28 Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 des Kapitalanlagegesetzbuchs, § 5 Absatz 8 des Börsengesetzes und § 55b Absatz 2 Nummer 7 WPO).

Zu Absatz 1

Die nach diesem Gesetz einzurichtenden Meldekanäle müssen zumindest den eigenen Beschäftigten und dem Beschäftigungsgeber überlassenen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern (vergleiche § 1 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes) offenstehen. Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sind einzubeziehen, da diese vom Beschäftigungsgeber oder auch in den Organisationseinheiten typischerweise wie deren eigene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingesetzt werden.

Darüber hinaus können die zur Einrichtung verpflichteten Stellen selbst entscheiden, ob das Meldeverfahren auch außenstehenden Personen, die im beruflichen Kontakt zu der Stelle stehen und dort einen Verstoß beobachten, offenstehen soll. Um den betroffenen Unternehmen möglichst weitgehende Freiheit zu lassen, die konkrete Ausgestaltung des internen Meldesystems den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen, wurde die Vorschrift nicht verbindlich, sondern als Option formuliert. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Artikel 8 Absatz 2 der HinSch-RL.

Dabei kann die jeweilige Stelle entscheiden, die interne Meldestelle für alle natürlichen Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeiten mit ihr in Kontakt steht, zu öffnen, oder auch den Kreis der Personen zu begrenzen, die über die in Satz 1 genannten Personen hinaus interne Meldungen erstatten können. Vergleichbar dem Verweis in Artikel 8 Absatz 2 der HinSch-RL auf Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b bis d und Absatz 2 der HinSch-RL kann dabei beispielsweise darauf abgestellt werden, ob es sich um Personen handelt, die als Selbständige für die betroffene Stelle arbeiten, um Personen, die für Auftragnehmer, Unterauftragnehmer oder Lieferanten arbeiten oder auch um Personen, deren Beschäftigtenverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde.

Nach Artikel 6 Absatz 2 HinSch-RL können die Mitgliedstaaten entscheiden, ob Meldestellen zur Entgegennahme und Weiterverfolgung anonymer Meldungen von Verstößen verpflichtet sind. Anonymität ermöglicht grundsätzlich den größten Schutz für hinweisgebende Personen und kann zur Verringerung der Hemmschwelle zur Abgabe einer Meldung beitragen. Zahlreiche bestehende externe Meldeverfahren in Deutschland sehen bereits heute die Möglichkeit zur Abgabe anonymer Meldungen vor (siehe § 4d Absatz 1 Satz 2 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, § 3b Absatz 1 Satz 2 Börsengesetz, § 34d Absatz 12 Satz 2 Gewerbeordnung, § 53 Absatz 1 Satz 3 GwG). Im Rahmen einer Umfrage im Jahr 2021 gaben über 70 Prozent der in Deutschland befragten Unternehmen, die bereits ein Hinweisgebermeldesystem eingerichtet hatten, an, anonyme Meldungen zu ermöglichen (vergleiche Hauser, Christian/Bretti-Rainalter, Jeanine/Blumer, Helene: Whistleblowing Report 2021. EQS Group AG, FH Graubünden. Chur 2021 (Abb. 52), S. 51). Das HinSchG verpflichtet interne Meldestellen daher, anonyme Meldungen entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Dafür sind Meldekanäle vorzuhalten, welche die anonyme Kontaktaufnahme und die für die hinweisgebende Person anonyme Kommunikation zwischen hinweisgeben- der Person und externer Meldestelle ermöglichen. Dies kann etwa durch technische Vorrichtungen oder die Einschaltung einer Ombudsperson gewährleistet werden.

Die HinSch-RL sieht vor, dass Meldestellen Kontakt mit den hinweisgebenden Personen halten müssen. Dadurch soll Vertrauen in die Wirksamkeit des allgemeinen Hinweisgeberschutzes aufgebaut und die Wahrscheinlichkeit weiterer unnötiger Meldungen gesenkt wer- den (Erwägungsgründe 57, 63). Häufig erfordert auch eine effektive Weiterbearbeitung einer Meldung gezielte Nachfragen. Eine entsprechende Verpflichtung der internen Melde- stelle, hinweisgebenden Personen Rückmeldungen zu geben und den Kontakt zu halten (vergleiche § 11 Absatz 4, § 17 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 5, Absatz 2, § 18 Nummer 2), kann den Meldestellen jedoch nur auferlegt werden, wenn hinweisgebende Personen den dafür eingerichteten anonymen Meldeweg nutzen. Soweit hinweisgebende Personen auf anderem Wege, beispielsweise mittels anonymen Briefs ohne Kontaktmöglichkeit, einen Hinweis an die Meldestelle richten, sind Rückmeldungen nicht möglich. Dabei ist gerade

bei anonymen Hinweisen die Entscheidung der hinweisgebenden Person, ob sie eine Kontaktaufnahme ermöglichen möchte oder nicht, zum Schutz der Person zu berücksichtigen.

Zu Absatz 2

Die Vorschrift setzt Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der HinSch-RL um, der verlangt, dass Meldekanäle so konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass nicht befugte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben. Damit wird sichergestellt, dass ein möglichst kleiner Personenkreis Kenntnis von der Identität der hinweisgebenden Person, von Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, oder von sonstigen in der Meldung genannten Personen hat. Soweit über die Personen hinaus, die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständig sind, weitere, sie hierbei unterstützende Personen Zugriff auf eingehende Meldungen haben, darf der Zugriff nur im Rahmen dieser Unterstützungstätigkeit und nur insoweit erfolgen, als dies für die Unterstützungstätigkeit notwendig ist. Dies gilt beispielsweise im Hinblick auf IT-Dienstleister, die Meldekanäle technisch betreuen.

Die Vorschrift ergänzt die allgemeinen Vertraulichkeitsregeln des § 8.

Zu Absatz 3

Die Vorschrift setzt Artikel 9 Absatz 2 der HinSch-RL um. Um die Anforderungen besonders an diejenigen Unternehmen, die erstmalig entsprechende Strukturen aufbauen müssen, möglichst gering zu halten, soll es genügen, dass Meldungen entweder mündlich oder in Textform erfolgen können, solange bei dem gewählten Übertragungsweg die Vertraulichkeit der Identität der von der Meldung betroffenen Personen gewahrt ist.

Mündliche Meldungen müssen per Telefon oder mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung ermöglicht werden.

Welcher Zeitraum für das Angebot einer persönlichen Zusammenkunft als angemessen an- zusehen ist, hängt auch von den jeweiligen Organisationsstrukturen ab und inwieweit diese eine kurzfristige persönliche Zusammenkunft ermöglichen.

Überregional   oder   international   tätige   Beschäftigungsgeber   oder   gemäß § 12 Absatz 1 Satz 2 mit einer internen Meldestelle versehene Organisationseinheiten können für die auf Wunsch der hinweisgebenden Person erfolgende persönliche Zusammenkunft vor Ort die Aufgaben der internen Meldestelle an eine Person vor Ort delegieren. Für die vor Ort beauftragte Person gelten die gleichen Verschwiegenheitspflichten wie für die regulären Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der internen Meldestelle. Die Möglichkeit für hinweisgebende Personen ein persönliches Gespräch zu führen, hat insbesondere bei der Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle eine herausragende Bedeutung. Die Zusammenkunft kann in Absprache mit der hinweisgebenden Person auch in virtueller Form, etwa in Form einer Videokonferenz durchgeführt werden kann. Dies setzt aber die Einwilligung der hinweisgebenden Person voraus.